Effectuation: Goodbye kausale Logik? Neue Erkenntnisse aus der Entrepreneurship-Forschung
Plan. Do. Check. Act: Die klassische Management-Logik behauptet, Planung und Zielsetzung sollte das Handeln von UnternehmerInnen bestimmen. Aufgrund der gängigen An- nahme, nur sorgfältige Planung mache erfolgreich, schreiben GründerInnen Business-Pläne und machen Vorhersagen über Märkte und Abnehmerzahlen. Kreditinstitute und Venture- Kapitalgeber treffen wiederum aufgrund dieser Pläne ihre Entscheidung zur Finanzierung von Geschäftsideen. Das Problem: Wie lassen sich Prognosen für neue Märkten erstellen, die durch eine innovative Gründungsidee erst erschlossen werden? Hier greift die alteingesessene Management-Logik zu kurz.
Der neue Denkansatz: Effectuation setzt darauf, Ziele – parallel zum Unternehmensaufbau – weiter zu entwickeln, statt zu Beginn zu fixieren. Steuern ist ohne Vorhersage möglich. Zukunft ist also nicht vorhersehbar, aber gestaltbar – vom Gründenden selbst oder durch die Ideen von Partnern, Investoren oder Kunden. Bei der Entwicklung eines zukunftsweisenden Produkts, kann zum Beispiel der wichtigste potenzielle Kunde eingebunden werden. Auch ein Dienstleistungsangebot kann sich durch die Gewinnung eines Kooperationspartners nach der Gründung stark verändern. Die ursprüngliche Geschäftsidee wird vielen Einflüssen aus- gesetzt und durch verbindliche Vereinbarungen mit anderen Personen stetig weiterentwickelt. Damit sinkt das eigene Risiko, mit einer Geschäftsidee zu scheitern.
Effectuation sucht nach Möglichkeiten, die sich durch die Kombination gegebener Mittel erreichen lassen. Unter Ungewissheit führt diese neue Logik zu mehr Erfolg als die klassische kausale Management- und Gründungslogik, zeigte Prof. Saras Sarasvathy. Sie brachte 2001 mit ihren Erkenntnissen einen Stein in der Entrepreneurship-Forschung ins Rollen. Seitdem wird dieser Denkansatz heiß diskutiert.
Die Prinzipien von Effectuation (nach Faschingbauer, 2010)
Kurz gesagt: Was ist Effectuation? Dr. Silke Tegtmeier, Dozentin an der Leuphana Universität Lüneburg, definiert Effectuation als: „Denkart für unternehmerische Entscheidungen, die auf Vorhersage verzichtet. Statt eine ungewisse Zukunft mit oft widersprüchlichen Informationen vorherzusagen, wird gesteuert, was der/die AkteurIn gestalten kann. Effectuation ist für Situationen mit unklaren, aber verhandelbaren, Zielen in einer sich stetig verändernden Umwelt geeignet. In einer solchen Situation befinden sich (angehende) UnternehmerInnen, wenn sie neue unternehmerische Gelegenheiten kreieren. Der Effectuation-Ansatz folgt somit einer konstruktivistischen Perspektive: neue Produkte und Märkte werden nicht entdeckt, sondern durch den Effectuator geschaffen.“
Wissenschaft und Wirtschaft entwickeln neue Strategien für Selbstständige. In einer Forschungsarbeit befragte Prof. Saras Sarasvathy „Expert Entrepreneurs“, die über 15 Jahre Erfahrung mit dem Gründen und Führen von Unternehmen haben. Die aktuelle Forschung zeigt, dass Enterpreneure in ungewissen Situationen einer effektualen Logik folgen – im Gegensatz zum klassischen Management, das eher auf kausale Logik setzt. Unerfahrene Un- ternehmerInnen vermischen zumeist beide Ansätze. Indem sie lernen, die verschiedenen Vorgehensweisen bewusst einzusetzen, können sie besonders von diesen Forschungser- kenntnissen profitieren. Impulse zur Vernetzung von GründerInnen, UnternehmerInnen und WissenschaftlerInnen gibt die neue Plattform Leuphana Business Connect.
Aus der Praxis. Clemens Schröder, Mitgründer von Prozubi – einer Lernplattform für Azubis zur Prüfungsvorbereitung – gibt einen kleinen Einblick: „Wir sind mit einem detaillierten Busi- nessplan gestartet, aber ständig veränderte sich etwas. Als wir begannen, Lernvideos zu produzieren, kannte keiner von uns diesen Prozess. Entsprechend traten an den verschiedensten Stellen Abweichungen vom Plan auf – positive wie negative – die so nicht vor- hersehbar waren. Mein Tipp: Verschiebt man die geplanten Umsätze um sechs Monate nach hinten und dies wird nicht zum Problem, ist das Geschäftsmodell relativ robust. Der Businessplan ist dabei Fluch und Segen zugleich. Er hilft, das eigene Geschäftsmodell zu durchdringen und die Mechaniken des Marktes zu verstehen. Auch verschiedene Szenarien mit unterschiedlichen Annahmen lassen sich durchspielen. Je genauer man allerdings plant, desto stärker vergräbt man sich in die eigene Idee und die im Plan getroffenen Annahmen. Dadurch wird der Fokus eingeschränkt und Alternativen werden nicht erkannt. Es ist besser, sich nicht ins eigene Produkt zu verlieben und ewig zu optimieren, sondern möglichst früh hinauszugehen. Jeder Gesprächspartner gibt wertvolles Feedback und kann bei der Weiterentwicklung des Produkts helfen.“
Goodbye kausale Logik? Diese Vorgehensweise ist in Situationen mit bekanntem Risiko weiterhin sinnvoll. Ein Restaurant zu eröffnen, Franchise-NehmerIn zu werden oder sich mit einem Meisterbetrieb selbstständig zu machen, ist meistens gut planbar. Die Erstellung eines Businessplans ist in solchen Fällen einfach und wirkungsvoll, um die eigenen Erfolgsmög- lichkeiten abschätzen und Schwächen frühzeitig erkennen zu können. Diese Logik hat eine Berechtigung und wird durch Effectuation nicht ersetzt, sondern sinnvoll ergänzt.
In der Unternehmensberatung Kirsch werden die Effectuation-Prinzipien seit vielen Jahren erfolgreich im Coaching genutzt. In einem telefonischen Erstgespräch können sich GründerInnen und Selbstständige unverbindlich informieren, wenn sie mit Experten ihre unternehmerischen Ideen reflektieren und ihr Geschäftsmodell weiterentwickeln möchten.
Verena Meyer, Unternehmensberatung Claudia Kirsch
Januar 2015