Rezension: Warum wir tote Pferde reiten
Die Mehrheit der Deutschen ist unzufrieden mit ihrem Job. Trotzdem trauen sich viele nicht, nach beruflichem Neuland zu suchen. Die Kunden der Unternehmensberatung Claudia Kirsch interessieren sich für die berufliche Selbstständigkeit, doch der Absprung vom Gewohnten fällt Manchen schwer. Deshalb empfehlen wir gern die Bücher unseres Kollegen Tom Diesbrock:
Absurd, aber leider wahr: Laut einer Studie des Gallup Instituts fühlen zwei Drittel der Deutschen keine emotionale Bindung zu ihrer Arbeit. Sie arbeiten schon montags auf das Wochenende hin und leisten Dienst nach Vorschrift. Nur 11% der Deutschen haben laut Umfrage Spaß an ihrer Arbeit und sind motiviert.
Warum reitet jemand ein totes Pferd? Obwohl viele Menschen schon lange - unzufrieden mit ihrer beruflichen Existenz - klagen und grübeln, werden sie nicht aktiv. Gibt es keine Alternativen oder fehlt der innere Antrieb, abzuspringen?
Angst, dem Neuen nicht gewachsen zu sein
Warum steigen wir nicht ab von einem toten Job-Pferd, das uns so unzufrieden und womöglich sogar krank macht? Die Antwort ist so einfach, wie menschlich: Weil wir Angst haben. Angst, der Neuanfang funktioniert nicht so wie gedacht. Angst, große Risiken eingehen zu müssen, denen man sich nicht gewachsen fühlt. Und auch die Angst, letztendlich zu scheitern und in die Arbeitslosigkeit abzurutschen. Das Alte, Vertraute bietet vermeintliche Sicherheit, weil man weiß, „woran man ist“. Berufliches Neuland zu betreten, „umzusatteln“, ist dagegen nicht einfach - und kalte Füße gehören immer dazu. Wir können aber konstruktiv damit umgehen, wenn wir unsere Bedenken und Ängste ernst nehmen und Wege suchen, Risiken zu minimieren. Die Angst wird kleiner, wenn wir uns sachlich mit ihr auseinandersetzen.
Die „guten“ Gründe
Die meisten Menschen wenden außerdem ein psychisches Ablenkungsmanöver an, um ver- meintlich plausible Gründe zu finden, auf dem toten Pferd weiter zu reiten. Man gesteht sich ungern Angst ein und gibt seine Schwächen lieber nicht zu. So werden das Alter, die eigene Unfähigkeit, sich neu anzupassen oder Hindernisse der Arbeitswelt vorgeschoben, um das Ge- wissen zu beruhigen. Das nennt man Rationalisierung, etwas Irrationales so darzustellen, dass es mir als die vernünftigste Sache der Welt erscheint. Beispielsweise schreckt man vor einer Weiterbildung zurück, weil man meint, doch eh unbegabt zu sein, um sich neues Wissen anzueignen. Oder es gäbe kaum Stellenbeschreibungen, die wirklich zu einem passen.
Wenn man so argumentiert, gibt es natürlich kaum Chancen, aus dem alten Trott heraus zu kommen. Eine berufliche Veränderung muss wirklich gewollt sein. Es reicht nicht, nur die Stellenbörsen zu überfliegen und in Grübeleien zu versinken. Nachhaltige Neuorientierung braucht Aktivität und Engagement - und eine Menge Zeit und Energie.
Mut zur Veränderung
Glücklicherweise kann man lernen, die Herausforderung zum Neuen anzunehmen und seine eigenen Kompetenzen klug zu verkaufen. Wenn man ehrlich zu sich selbst ist, und den „guten Gründen“ für Untätigkeit auf den Zahn fühlt, wird man auch merken, wie destruktiv sie sind. Unsere Wünsche und Träume ernst zu nehmen und der Wille, wirklich etwas ändern zu wollen – für uns Menschen als Gewohnheitstiere ein großer Schritt – ist der richtige Weg zum beruflichen Neustart.
Wir können ein totes Pferd reiten. Aber wir müssen nicht.
Claudia Kirsch
September 2013